Ja, das LkSG bleibt erst einmal.
Die Debatte im Bundestagsplenum am 5. Juni 2025 anlässlich zweier Vorlagen der AfD hat aber sehr wichtige Erkenntnisse gebracht – auch zum Verständnis dessen, wie Koalitionsvertrag und Sofortprogramm der Bundesregierung zu verstehen sind:
- Die Koalitionsvertreter waren einhellig der Ansicht, dass das LkSG in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat.
- Gleichzeitig wird man das LkSG nun nicht wie von der AfD vorgeschlagen mit einem Federstreich abschaffen, sondern es durch ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Vorgaben (die derzeit noch in Brüssel in ihren Veränderungen diskutiert werden) ersetzen.
- Zuständigkeit BMWK: Bundeswirtschaftsministerin Reiche wird den Gesetzentwurf dazu vorbereiten. (Auch wenn die Vorlagen der AfD nun federführend in den BT-Ausschuss für Arbeit & Soziales zur weiteren Beratung überwiesen wurden.)
- Ein verlässlicher Zeitplan liegt noch nicht vor – es lohnt also, weiterhin auch den Blick nach Brüssel zu richten. Nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich.
- Zwischen den Koalitionsvertretern gibt es zu Detailfragen Gesprächsbedarf. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Perspektiven folgend Auszüge der Reden der Koalitionsvertreter in der Rednerreihenfolge.
Dr. Markus Reichel (CDU/CSU):
„Und wir als neue Koalition aus Union und SPD werden das Gesetz jetzt in dieser Form auch wieder aufheben. Das Gesetz hat eine völlig unstrittige Intention, nämlich menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten zu stärken. Aber in der Praxis hat sich gezeigt, dass das Gesetz zu einem Bürokratiemonster geworden ist. Es belastet insbesondere den Mittelstand, unter anderem aus drei Gründen:
Erstens: übermäßige Bürokratie. Die umfangreichen Berichtspflichten und Dokumentationsanforderungen binden Ressourcen, die besser in produktive Tätigkeiten investiert wären. Zweitens: Wettbewerbsverzerrung durch Onlineplattformen. Plattformen wie Temu und Shein unterliegen eben derzeit nicht den gleichen Sorgfaltspflichten. Und drittens: die unverhältnismäßigen Haftungsrisiken. Sanktionen von bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes können ruinös sein. Also, ich will mal so sagen: Das Ziel stimmt, der Weg aber noch nicht. Die neue Bundesregierung wird nun das nationale Gesetz aufheben und gleichzeitig die europäische Lieferkettenrichtlinie bürokratiearm in nationales Recht umsetzen. Wir wollen eine harmonisierte, praxisnahe, europaweit einheitliche Lösung statt eines nationalen Alleingangs.“
Bernd Rützel (SPD):
„Wir haben uns in der Koalition jetzt entschieden, auf die europäische Regelung zum Lieferkettengesetz zu setzen. Das bedeutet aber nicht, dass wir das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einfach aufheben. Wir wollen die europaweite Regelung. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein, dafür setzt sich Deutschland ein, dass die EU-Richtlinie CSDDD, nach der Unternehmen nachhaltig und mit der notwendigen Sorgfalt handeln müssen, auch umgesetzt wird.
Wir wollen einen Geltungsbereich, der nicht zusammenschrumpft, der viele Unternehmen umfasst und in dem es auch empfindliche Bußgelder gibt, wenn man sich nicht daran hält. Wir werden das aber selbstverständlich so umsetzen, dass es vernünftig gehandhabt werden.“
Sandra Carstensen (CDU/CSU):
„Ja, wir als CDU/CSU sehen das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in seiner jetzigen Form auch sehr kritisch. Es ist ein Beispiel dafür, wie gutgemeinte Regelungen am Ende genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie erreichen wollen. Dieses Gesetz ist für viele Betriebe in Deutschland schlicht unzumutbar. [Widerspruch des Abg. Bernd Rützel (SPD): „Stimmt nicht!“] (…) Wir müssen aufhören, so zu tun, als könnten kleine und mittlere Unternehmen globale Kontrollfunktionen über nehmen, für die nicht einmal die Staaten ausreichend Instrumente haben. (…) Wir brauchen keine noch strengeren Vorschriften. Wir brauchen verlässliche europäische Rahmenbedingungen, auf die sich unsere Unternehmen einstellen und verlassen können.“
Sanae Abdi (SPD):
„Dieses Gesetz ist kein Schikanewerkzeug, sondern ein Schutzinstrument für Menschenrechte, Umweltstandards und einen fairen Wettbewerb. Wir wollen und müssen Bürokratie abbauen, aber nicht blind mit der Kettensäge. Wir wollen durch dachte, praktikable Regeln. Denn Unternehmen brauchen keine ideologische Abrissbirne. Das, was sie wirklich brauchen, sind Planungssicherheit, Verlässlichkeit und faire Rahmenbedingungen. Und genau deshalb war und ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ein wichtiger Schritt. Es zwingt Unternehmen nicht in die Knie. Es hebt sie auf ein gemeinsames ethisches Fundament. (…) Auch Unternehmen profitieren. Viele haben längst in Nachhaltigkeit investiert. Wer das Gesetz nun kippt, bestraft genau diejenigen, die Verantwortung übernommen haben; und das können wir nicht zulassen. (…) Wie wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, wird das nationale Lieferkettengesetz durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung im Rahmen der europäischen Richtlinie ersetzt. Ersetzen, nicht abschaffen! Die von der Bundesregierung angestrebte Umsetzung mit einer Klimaplanerstellung durch die Unternehmen, einer gestuften Verantwortung und einem spürbaren Bußgeld bei Pflichtverletzungen ist ein gelungener Kompromiss zwischen CDU/CSU und SPD. Damit können wir gut arbeiten.“
Peter Aumer (CDU/CSU):
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider ist das Gesetz nicht nur nicht mittelstandsfreundlich geworden, sondern es ist auch das Gegenteil davon passiert. Bei vielen meiner Unternehmensbesuche im Wahlkreis werde ich von Unternehmerinnen und Unternehmern darauf angesprochen. Jedes Jahr entstehen große Aufwendungen, Hunderte von Fragen, viele doppelt. Der Aufwand, komplexe Berichte zu erstellen, ist riesig. Die Folge: 250 zusätzliche Arbeitsstunden beim durchschnittlichen Mittelständler, bis zu 100 000 Euro Mehrkosten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen in den Blick nehmen. (…) Wir setzen auf die europäische Richtlinie. In das Papier, das jetzt der Koalitionsausschuss beschlossen hat, das Sofortprogramm der Bundesregierung, haben wir einen klaren Punkt aufgenommen, nämlich dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abgeschafft werden soll und
dass wir auf europäischer Ebene auf eine bürokratiearme Regelung und vor allem auf eine vollzugsmäßig durchsetzbare Regelung setzen.“
Daniel Walter (SPD):
„Es ist richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das nationale nun durch ein europäisches Lieferkettengesetz ersetzt wird. Wir leben und wirtschaften in einem gemeinsamen Binnenmarkt. Wir brauchen Rechtssicherheit für deutsche und europäische Unternehmen sowie gleiche
und faire Wettbewerbsbedingungen in Europa. Wir können es nicht zulassen, dass wir 27 Einzelregelungen haben. Darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag verständigt. Die Regelung auf europäischer Ebene ist ohne Wenn und Aber richtig. Jetzt ist die Bundesregierung in der Verantwortung, auf der europäischen Ebene einen Interessenausgleich zu erreichen – in einem Spannungsfeld, das wir alle kennen. (…) Wir brauchen jetzt einen Interessenausgleich zwischen den Zielen, die Menschenrechte und Umweltstandards zu schützen und zugleich die Wirtschaft nicht zu überfrachten. Das muss die Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen Partnern erreichen.“
Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU):
„Wir müssen Menschenrechte aber nicht auf dem Papier schützen, sondern in der Realität. Gleichzeitig macht das Lieferkettengesetz unseren Unternehmen das Leben schwer. (…) In seiner derzeitigen Form ist das Lieferkettengesetz ein wahres Bürokratiemonster. Es erfordert ein Risikomanagementsystem, eine Regelung zur betriebsinternen Zuständigkeit, regelmäßige Risikoanalysen, die Abgabe einer Grundsatzerklärung, Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, ein Beschwerdeverfahren sowie die Dokumentation all dessen. All dies belastet eben nicht nur große Firmen, sondern auch den Mittelstand. Der leidet darunter; denn die großen Firmen reichen ihre Bedingungen natürlich an die kleineren weiter – selbst dann, wenn die kleineren gar keinen Einfluss auf die Lieferkette haben. Nicht weniger Sorge bereitet in diesem Zusammenhang, dass es mit der geplanten europäischen Regelung auch eine zivilrechtliche Haftung geben soll (…) Ich glaube, die Entwicklung der letzten Jahre und Monate hat doch eines sehr deutlich gemacht: Wir als Kontinent müssen wieder wettbewerbsfähiger werden. Deshalb freue ich mich auch, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Überprüfung der europäischen Lieferketten-Richtlinie auf den Weg gebracht hat. (…) Wir wollen ein Gesetz, das die internationale Unternehmensverantwortung in den Blick nimmt, dabei aber sehr schlank und äußerst bürokratiearm ist.“
Fabian Gramling (CDU/CSU):
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schöne am Leben ist ja, dass es nicht verboten ist, klüger zu werden. Man braucht dann aber auch die Größe, sich das einzugestehen und etwas zu ändern. Als Union haben wir dies erkannt, und wir haben auch die Stärke, dies zu tun. Deswegen ist es absolut folgerichtig, dass unsere Wirtschaftsministerin jetzt die Aufhebung des Lieferkettengesetzes auf den Weg bringen wird. Aber uns ist auch ganz klar, dass damit die Arbeit nicht erledigt ist. Für uns als Union ist klar: Jetzt kommt es auf die richtige Umsetzung der Europäischen Lieferketten-Richtlinie an; denn diese muss praxistauglich, sie muss europäisch harmonisiert und sie muss für unsere Unternehmen auch umsetzbar sein.“
🎞️ Wer die gesamte Debatte ansehen möchte – hier geht’s zur Aufzeichnung in der Mediathek (bitte runterscrollen).
2025-06-06 LkSG-Monitor

