In der Product-Compliance geht es nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin Schlag auf Schlag! Heute legte das Bundesjustizministerium seinen Referentenentwurf „zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts“ vor.
Den gesamten Entwurf stelle ich unten zum Download zur Verfügung.
In seiner Begleitkommunikation teilt das BMJV mit, dass es sich um die erste umfassende Reform des Produkthaftungsrechts seit 1989 handele. Der Gesetzentwurf diene zudem der Umsetzung der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/2853 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 über die Haftung für fehlerhafte Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 85/374/EWG.
Zwar soll die Richtlinie „grundsätzlich“ 1:1 umgesetzt werden, aber eben nur „grundsätzlich“. Es heißt also: Genau hinsehen, ob nicht doch das ein oder andere Schippchen draufgesetzt werden soll (sog. Gold-Plating).
Eine Synopse ist bei diesem Gesetzentwurf nicht nötig, denn das Produkthaftungsgesetz soll völlig neu gefasst werden. Dies begründet das BMJV mit der Vielzahl an nötigen Änderungen sowie der besseren Lesbarkeit des Entwurfs.
Einige Punkte zum Inhalt
- Einbezug von Software, insbesondere KI-Systeme, in die Produkthaftung: Software soll unabhängig davon in die Produkthaftung einbezogen werden, wie sie bereitgestellt oder genutzt wird (d.h. es soll egal sein, ob die Software auf einem Gerät abgespeichert oder über eine Cloud abgerufen wird). Open-Source-Software, die außerhalb einer Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird, soll wie bisher von der Produkthaftung ausgenommen bleiben. Das neue ProdHaftG sieht nach Angaben des BMJV bewusst keine Definition von Software vor; so möchte man es offen halten für künftige technische Entwicklungen.
- Fehlerhaftigkeit von Produkten: Bei der Beurteilung, ob ein Produkt fehlerhaft ist, sollen künftig auch die Selbstlernfähigkeiten des Produkts, Wechselwirkungen mit anderen Produkten sowie Cybersicherheitsanforderungen berücksichtigt werden.
- Erweiterung der Haftung für Updates und Upgrades: Hersteller sollen auch für Fehler haften, die durch ein Software-Update oder -Upgrade verursacht wurden, und auch dann, wenn sie ein solches Update oder Upgrade nicht durchführen, obwohl es erforderlich wäre, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten.
- Produkthaftung für verbundene digitale Dienste: das neue Produkthaftungsrecht soll die Haftung auch auf digitale Dienste erstrecken, die mit einem Produkt verbunden sind. Ausnahme: Schäden am fehlerhaften Produkt selbst.
- Produkthaftung bei Kreislaufwirtschaft: Wird ein Produkt nach seinem Inverkehrbringen so umgestaltet, dass es wesentlich geändert wird (etwa durch „Upcycling“), soll der umgestaltende Hersteller künftig als Hersteller haften.
- Umgang mit globalen Wertschöpfungsketten: Sitzt ein Produkthersteller außerhalb der EU und ist nicht greifbar, sollen neben ihm unter bestimmten Voraussetzungen auch Importeure, Hersteller, Fulfilment-Dienstleister und Lieferanten haften. Gleiches soll unter bestimmten Bedingungen für Anbieter von Online-Plattformen gelten.
- Einfachere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen: Künftig soll der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Produktfehler und einer eingetretenen Rechtsgutsverletzung grundsätzlich vermutet werden, wenn ein Produktfehler feststeht und die eingetretene Verletzung typischerweise auf diesen Fehler zurückzuführen ist. Außerdem sollen Unternehmen auf Anordnung eines vom Geschädigten angerufenen Gerichts Beweismittel offenlegen müssen (unter Schutz von Geschäftsgeheimnissen).
- Streichung von Haftungshöchstgrenzen: Bisher haften Hersteller nach dem aktuellen ProdHaftG bis zu 85 Mio. Euro. Dieses Limit soll künftig nicht mehr gelten. Das BMJV strebt eine finanziell unbegrenzte Haftung an.
- Für Arzneimittel gilt weiterhin das Arzneimittelgesetz.
- Veröffentlichungspflicht von einschlägigen Gerichtsentscheidungen: Gerichte der 2. und 3. Instanz sollen künftig rechtskräftige Urteile und Beschlüsse zur Produkthaftung veröffentlichen (anonymisiert/pseudonymisiert).
Zu Fristen und Terminen:
Umsetzungsfrist ist der 9. Dezember 2026 – genügend Zeit also, um sich intensiv mit den geplanten Regelungen auch im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit auseinanderzusetzen.
Wer sich schon zum Referentenentwurf äußern möchte, kann seine Stellungnahme bis zum 10.Oktober 2025 beim BMJV einreichen. Ich helfe gern beim Verfassen eines adressatenfokussierten Dokumentes.
Inkrafttreten: Auch der 9. Dezember 2026. Gleichzeitig soll das bisherige Produkthaftungsgesetz außer Kraft treten.
ACHTUNG: Für Produkte, die vor dem 9. Dezember 2026 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden, soll weiter das alte, bisherigen Produkthaftungsgesetz gelten.


